ANGEWANDTES BRANCHENWISSEN

Lehre | Hochschule für Darstellende Kunst Frankfurt am Main

Struktur- und Hierarchiefragen, Debatten um Zugänglichkeit und Diversität und nicht zuletzt die kulturpolitischen Kämpfe in schrumpfenden kommunalen Haushalten – nochmals verstärkt durch die Pandemie – befragen die institutionelle Theaterstruktur von mehreren Seiten und klopfen sie auf ihre Attraktivität für junge Theaterschaffende ab.

Dieser Vorgang ist zweischneidig: Zwar mag das deutsche Stadt-, Landes- und Staatstheater teilweise einen Reformstau aufweisen, doch bleiben die öffentlich geförderten Theater die Hauptarbeitgeber für hunderte Künstlerinnen und Künstler, die in den staatlichen Schauspiel- und Regiestudiengängen jährlich ausgebildet werden. Auf der anderen Seite steht die – skurrilerweise in der Pandemie erstarkte – freie Szene, die sich über projektbezogene Fördergelder finanziert und sich auf Kosten finanzieller Unsicherheit eine fragile Freiheit „erkauft“; ob sich die aktuell durch die „Neustart Kultur“-Gelder komfortable Situation über die Pandemie hinaus halten kann, bleibt indes abzuwarten.

Eingespannt zwischen den Anforderungen eines von finanziellen, personellen und materiellen Ressourcen knapper werdenden Marktes und dem Bedürfnis nach strukturellen Veränderungen zugunsten einer größeren künstlerischen Freiheit des einzelnen Ensemblemitglieds, sehen sich auch die Ausbildungsinstitutionen mit paradoxen Forderungen konfrontiert: Sie sollen exzellentes Handwerk beibringen und zugleich individuelle künstlerische Freiheiten garantieren, um einen „sicheren“ Berufseinstieg zu ermöglichen.

Ein Phänomen in dieser unklaren Gemengelage ist der Ruf nach berufspraktischem Erfahrungswissen, das möglichst früh im Studium implantiert werden soll; dies wird an der HfMDK derzeit u.a. abgedeckt durch das Seminar „Angewandtes Branchenwissen“. Studieninhalte zur Bewerbung, zum Selbstmarketing, zu Netzwerken und vielem mehr sollen die Studierenden ermutigen, sich als im besten Sinne „Selbst-Ständige“ auf den Weg in ein schwieriges Berufsfeld zu machen. Zugrunde liegt hierbei die Überzeugung, dass ein schon früh geteiltes praktikables Branchenwissen alle Beschäftigten – und damit in einem zweiten Schritt auch die Branche selbst – vor Frustration schützt, zu Innovation ermutigt und zu nachhaltigem Handeln einlädt.