Antigone
ANTIGONE ist dasjenige Werk des antiken Theaters, das wohl am häufigsten inszeniert und adaptiert wird. Sophokles, Hölderlin, Anouilh, Cocteau, Hasenclever und Brecht sind nur einige der "klassischen" Bearbeiter. Auch heutige Dramatiker:innen wende sich dem Stoff immer wieder zu. Seit 2500 Jahren zieht uns die Familiengeschichte der Labdakiden in ihren Bann. Der griechische Mythos erzählt ganz offenkundig viel von dem, was uns Menschen durch alle Zeiten umtreibt. Dabei beginnt das Werk mit einer brachialen Katastrophe: Ödipus‘ Söhne sind tot. Sie töteten sich als verfeindete Brüder, gefallen im Kampf um den Thron. Ihr Onkel Kreon übernimmt die Macht und verfügt für Eteokles ein Staatsbegräbnis. Polyneikes jedoch soll ohne Ehre bleiben. Wer ihn bestattet, soll mit dem Tode bestraft werden. Antigone erklärt ihren Widerstand gegen dieses Gesetz. Symbolisch bestattet sie ihren Bruder und wird von Kreon zum Tode verurteilt. Sie wird eingemauert. Ihr Verlobter Haimon, Kreons Sohn, kämpft um sie, aber die Tragödie ist kaum noch aufzuhalten. Eine explosive und gleichzeitig hochdiskursive Konstellation.
Das Gesetz steht gegen das Private, die Staatsraison gegen das persönliche Wohl, neue Rechte gegen alte, alter Mann gegen junge Frau – Hass gegen Liebe. Was unversöhnlich scheint, könnte durch eine menschliche Fähigkeit geschlichtet werden: durch den Gebrauch der Vernunft. Insofern ist ANTIGONE auch ein Werk der Aufklärung.
Presse:
Regisseur Jakob Arnold zieht den alten Stoff behutsam in die Gegenwart, filtert ohne Moralinsäure den aktuellen Gehalt heraus, verweist auf Fake News und Verschwörungstheorien, die Erosion demokratischer Werte. Seine spannende, dichte und sehr auf das Essentielle komprimierte Inszenierung nutzt Abstraktion, um Zeitlosigkeit zu erwirken. (…) Die ebenso sparsame wie assoziative Ausstattung von Christian Blechschmidt greift perfekt die penibel ausgearbeitete Lesart des Regisseurs auf, macht die Intention vom ersten Moment an deutlich. (…) Hannes Strobl unterstützt mit Musik, die punktgenau den Faden der Regie aufnimmt. (…) Die Lüneburger „Antigone“ braucht keine Effekte. Sie besticht durch ihre Kargheit und stringente, unaufgesetzte Klarheit. Gezeigt wird eine düstere Familiensaga auf der Folie von politischen Verwerfungen und autoritärer Machtverhältnisse: Individuum versus Staatsdoktrin. Alt und neu, das Kleine im großen Ganzen, hier kommt es brennglasartig zusammen. Überall lauern Tod und Verderben, das Fragile des Status Quo. (Landeszeitung, 11. Februar 2024)
Die Hölle, das ist der Krieg. Die Hölle, das ist der Mensch. „Antigone“, geschrieben vom Dichter Sophokles vor 2500 Jahren, ist schrecklich aktuell. Im Theater Lüneburg dauert der Ritt durch die Hölle knapp 80 packende, pausenlose Minuten. (...) Bei aller Schwere, aller thematischen Aufgeladenheit, wirkt diese „Antigone“ trotzdem nicht überfrachtet daher, sondern auf kluge Weise unterhaltsam. Das Publikum zur sehr gut besuchten Premiere reagiert mit langem, langem Beifall. (Winsener Zeitung, 11. Februar 2024)